AUTOR: Frau Maja S.
Nach dem Ableben meines Dalmatiners im vergangenen September war es so still geworden im Haus. Ich hatte viel Zeit mit der Pflege des 14 ½-jährigen Laaki verbracht und er fehlte mir dann so sehr! Also suchte ich bald nach einem neuen Gefährten. Ich musste erfahren, dass Schweizer Tierheime ungern oder gar nicht Hunde an Rentner abgeben. Die Begründungen dafür entziehen sich meiner Kenntnis. Es gibt doch sicherlich genauso viele an Tierheime (wieder) abgegebene Hunde von jungen Leuten (neues Baby im Haus, Umzug, Scheidungen, Unfälle, Unverträglichkeiten mit Katzen, unüberlegte Übernahme, etc.) wie von älteren Leuten, die sterben, ins Pflegeheim oder ins Spital gehen müssen, oder?
Ich suchte daher im Internet nach Hunden in Schweizer Pflegestellen und fand den 9-jährigen Linus!
Der Podenco stammte ursprünglich aus Spanien, war nach 4 Jahren von einem Jäger wegen Nichttauglichkeit wahrscheinlich mit einer Schrotladung fortgejagt worden, denn ein Röntgenbild zeigt mehrere Schrotkugeln unter der Haut. Nach 2 Jahren Leben als Strassenhund konnte Linus – er hiess damals Curro – eingefangen werden und kam in ein spanisches Tierheim. Eine Schweizer Stiftung kümmert sich dort um die Tiere und brachte Curro letztes Frühjahr auf eine Pflegestelle in der Schweiz. Das Foto von Curro mit den traurigen Augen berührt mich sehr, und es ging nicht lang, bis ich ihn kennen lernen konnte. Als er in der warmen Herbstsonne in meinem Garten selig einschlief, war mir klar, dass ich ihm eine hoffentlich endgültige Heimat geben möchte. Dass Linus einen Herzklappenfehler hat und täglich eine Pille erhalten muss, war kein Hinderungsgrund. Zusammen mit Tochter und Sohn wählten wir für ihn den neuen Namen Linus aus. Linus ist ein riesiger Schatz! Ich nenne ihn meinen Philosophen, da er mit seinen braunen Augen lange Momente mit mir kommunizieren kann. Er hat sich inzwischen grossartig eingelebt, und er ist am liebsten zu Hause oder im Garten, wo er die Sonnenschlafplätze liebt.
Das Spazierengehen war wohl nie eine eingeübte Tätigkeit gewesen. Dennoch läuft er sehr gut an der Leine, aber in seinem eigenen Tempo, wie er es als Strassenhund gewohnt war.
Ich hatte immer zwei Hunde besitzen wollen, da ich das für Hunde gut finde, wenn es zu ihrem Charakter passt. Daher suchte ich bald nach der Ankunft von Linus nach einem zweiten „Notfall“ auf dem Internet und wurde in Gran Canaria fündig: die dreijährige Dalmatinerhündin „Chilli“ war von ihrer Familie nach der Geburt ihrer Jungen draussen angebunden worden. Ein Familienmitglied konnte dies nicht ertragen und brachte Chilli ins Tierheim, welches von der Organisation für Notdalmatiner unterstützt wird.
Bald konnte ich Chilli am EuroAirport Basel-Mülhausen in einer Transportbox in Empfang nehmen und nach Hause bringen. Aus ihrer Box befreit lief Chilli total zutraulich mit mir ins Haus. Dort konnte ich sie erst einmal richtig anschauen und stellte fest, dass sie praktisch nur aus Haut und Knochen bestand. Der Stress mit der Familie und im Tierheim musste ihr schrecklich zugesetzt haben. Kein Wunder, dass sie immer nur das Fressen im Sinn hat! Vorsichtigerweise habe ich Chilli erst einmal als Pflegehund zu mir genommen, da ich erst die Verträglichkeit mit Linus prüfen musste. Die beiden verstanden sich aber vom ersten Moment an und hatten nie Probleme.
Der eine ist die Ruhe selbst, die andere ist ein Wirbelwind! Chilli wurde von uns in „Lilly“ umgetauft. Ich glaube, Lilly hatte nie ein eigenes Körbchen: sie nahm sofort das kleinere Körbchen, welches ich Linus besorgt hatte, in Beschlag, weil es sie von allen Seiten umschliesst und sie wärmt. Linus nahm gutmütig das grössere Körbchen. Bald aber besorgte ich ein zweites kleines Körbchen für ihn, denn auch er schätzt die Geborgenheit.
Jetzt ist Lilly durch gutes Futter richtig in Form und sieht längst nicht mehr aus wie ein Klappergestell. Beide Hunde brauchen wegen ihrer schlechten Erfahrungen viel Zuneigung und die Bestätigung, dass sie wirklich bei mir zu Hause sind und auch nach einer Autofahrt immer wieder in ihr neues Zuhause zurückkehren können. Wenn ich nach einer 2-3stündigen Abwesenheit zurückkehre, werde ich stürmisch begrüsst und muss die beiden beinahe genauso lang streicheln, bis sie sich beruhigt haben. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die unglückliche Vergangenheit in Vergessenheit gerückt ist.
Linus geniesst die Sonne! Lilly liebt ihre Schlafplätze. Ein Herz und eine Seele!
Linus wurde positiv auf Leishmaniose getestet. Eine Radikalkur lehnte ich aber ab, denn mit den Impfungen und der Wurmkur wäre dies zu viel für den kleinen Kerl geworden. Er wird nach 6 Monaten nochmals getestet – dann sehen wir weiter. Lilly hat eine Juckallergie entwickelt. Sie schlackerte mit den Ohren und kratzte sich blutig. Der Veterinärdermatologe empfahl einen 8-wöchigen Test auf Nahrungsunverträglichkeit. So erhielt sie eine Mischung aus Pferdefleisch, Karotten und Kartoffeln. Das Kratzen nahm auch bald deutlich ab, aber verschwunden ist es nicht vollständig. Nun probieren wir wieder „normales“ Futter, um zu sehen, wie sie reagiert.
Beide Hunde sind noch nicht frei von ihren unterschiedlich langen Erfahrungen in ihrem früheren Leben: Linus ist äusserst gerne im Freien und sucht sich selbst im regennassen Gebüsch einen Schlafplatz.
Er war anfangs auch viermal aus dem Garten ausgebüxt und erkundete unsere Gemeinde selbständig, während ich furchtbare Ängste ausstand, ihn in sämtlichen Nachbarstrassen mit dem Auto suchte aber nicht fand. Er kam jedes Mal von allein wieder zurück und freute sich riesig, wieder zu Hause zu sein. Nun ist der Garten überall abgedichtet – eine kostspielige aber sinnvolle Angelegenheit! Linus hat Angst vor Gewitter und scheint mir auch die Nachtstunden im Haus nicht sehr zu schätzen. Er ist oft unruhig, bis er endlich in einem der vielen Hundebetten Ruhe gefunden hat. Morgens ist seine Freude über das Wiedersehen mit mir unbeschreiblich gross und rührend. Er hat sich auch an die Spaziergänge gewöhnt und freut sich, wenn die Leine vorgeholt wird.
Hier fühle ich mich wohl! Hier wollen wir bleiben!
Lilly neigt zu Ängsten, die sie dann leider zum Angriff reizen. Was muss sie durchgemacht haben früher! Sie muss noch lernen, dass Besucher, Kühe, Pferde, Regenschirme, Gehstöcke und sonst noch Einiges keine Gefahr für sie darstellen und dass meine Gegenwart sie schützt. Das wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sie ruhiger wird. Am Schlimmsten ist Feuerwerk! Da gerät sie in Panik und ist nicht mehr zu halten. Wir werden über den 1. August in eine Gegend reisen, wo kein Feuerwerk abgehalten wird. Sie liebt alle Früchte in meinem Garten und entsorgt das Fallobst, leider aber auch die Beeren an den Sträuchern, sodass schon manche Himbeerstaude niedergerissen wurde. Allerdings weiss sie bei meinen mahnenden Rufen – ein Relikt aus früheren Zeiten! Der Garten trägt schon manche Spur der Aktivitäten von beiden: Linus buddelt am liebsten unter irgendeinem Strauch ein Loch, und Lilly frisst grosse Löcher in den Rasen. Überhaupt ist Gras ihre Hauptnahrung, könnte man meinen. Somit haben wir auf den Spaziergängen ein ziemlich gemässigtes Tempo, da ja überall Gras zu haben ist.
Für mich ist es die erste Erfahrung mit Hunden aus dem Tierschutz. Bislang hatte ich alle Hunde bereits als Welpen. Ich denke, dass meine Beiden nun aber die anfängliche Eingewöhnungszeit hinter sich haben und bei mir angekommen sind. Sie sind aufgetaut, vertrauen mir, meinen Kindern und denjenigen Besuchern, die häufig kommen. Wir sind eine neue kleine Familie und freuen uns jeden Tag aufs Neue, dass wir zusammen sind.
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